Michelle Reznicek
21. November 2021 - Buchvernissage

Ich zeichne einen kleinen Kreis auf Papier - ich beschaue mir das Ergebnis. Es sieht unverhältnismässig banal aus. Ich fahre nochmals die Linie nach - es wird nicht besser.
Ein banaler Kreis um den 21.11.2021. Dahinter nur ein Wort: «Buchvernissage».
Halb und halb bin ich versucht, auf unserem «Familienkalender» noch meinen Namen dahinter zu setzten. Was sinnlos ist, denn wer sonst könnte das, auf dem Kalender vermerken? Es ist ja nicht so, dass jeder in der Familie ein Buch veröffentlichen wird demnächst. Als lass ich’s. Nur Buchvernissage.
Ausserdem, wieso notiere ich es überhaupt? Ich kann mir nicht vorstellen das ich, dass vergessen werde. Aber gut, wir haben Ende Februar, bis Ende November dauert es noch exakt neuen Monate. Also Platz für eine Menge Dinge die passieren könnten und es hoffentlich auch tun.
Ort und Datum habe wir fixiert: Wenn Corona nicht dazwischenfunkt, und die Prüfung die ich im November machen werde nicht ausgerechnet an diesem Tag stattfindet, und sich die Veranstaltungen im Winter nicht quer stapeln, müsste alles in Ordnung gehen. Mehr noch.
Kurz überlege ich schon, welche Getränke wir anbieten werden, Weisswein? Prossecco? Häppchen - Sandwich oder warmes Fingerfood? Doch noch ists für all das zu früh. Leider noch kein Handlungsspielraum. Zu früh für alles ausser einer imaginären Liste. Und selbst für die eigentlich.
Und dann denke ich an das Buch.
Mein Buch das endlich erscheinen soll. "Skydancer. Niemand spielt eine Rolle."
10 Jahre hat es gedauert. 10 Jahre von dem Zeitpunkt an, an dem ich den ersten Satz geschrieben habe, bis heute. 10 Jahre in denen ich geschrieben, korrigiert, überarbeitet, in die Schublade gelegt, meine Verlegerin kennen lernte, erste Gespräch führte und dann endlich folgenden Satz schrieb: Am 21. November 2021 findet meine Buchvernissage statt. Vorhang auf – Bühne frei.
Wie schnell die Zeit doch vergeht. Und wie unverwüstlich (und unerbittlich) Träume sein können. In all der Zeit habe ich nie an meinem Buch gezweifelt - und ich zweifle so ziemlich an allem.
Wenn man von «Vorne» darauf zu geht, scheinen 10 Jahre ewig lange, doch blickt man zurück, ist die Zeit im Nuh verstrichen. Das möchte mir mal jemand physikalisch erklären.
Nun steht sie an. Die Vernissage. Die Veröffentlichung. Bald ist es soweit. Nun könnte man sich zurücklehnen. Nun könnte man sich über diesen Erfolg freuen und es sich auf seinen Lorbeeren, wenigstes für eine kurze Zeit bequem machen.
Doch seltsamerweise fühle ich mich nicht so, als wäre ich weitergekommen. Ich bin noch immer «Neu» in der Welt der Autoren und Verlagen und mach noch immer Dinge zum ersten Mal. Wie es aussieht muss man erst wo sein, um zu erkennen wo man ist, oder eben nicht.
Es ist ein bisschen wie mit dem Bergsteigen. Kaum hat man einen Gipfel erklommen – schon kommt er einem nicht mehr so hoch vor. Mehr noch – auf einmal ist er nur noch klein – und überall um einem herum, sind nur noch höhere Gipfel, die man während seinem Aufstieg noch gar nicht bemerkt hat.
Ist es je genug? Ist man je zufrieden und am Ende seiner Reise? Hat man je bei etwas ausgelernt, oder kommt wenigstes in die Nähe?
Es ist wie in den Bergen. Man steigt hinauf, und sieht plötzlich, wie viele Gipfel es noch zu besteigen gilt.
Doch manchmal, manchmal bringt man es vielleicht fertig eine Sekunde inne zu halten, und das wunderschöne Bergpanorama zu sehen. Schliesslich wäre die Reise ohne diesen kurzen Blick – wertlos.
Also – lasst uns die letzten Meter zur Spitze erklimmen. 21.11.2021 wir kommen.
Von dort aus werden wir sehen, wo es weiter geht.