Michelle Reznicek
Der Rokoko des 21. Jahrhunderts

Der Rokoko des 21 Jahrhunderts – oder Im Land der Vermummten
Es gibt ein Gesetz. Ein Gesetzt das die «Vermummung» verbietet. Ich weiss nicht genau wer dieses Gesetz aufgestellt hat und zu welchem Zweck eigentlich und wie sie es auslegen bei einer Frau die eine Burka trägt – den hier treffen Gesetzt zur Unterlassung und Religionsfreiheit aufeinander. Doch seit neustem ist das nackte Gesicht fast überall ein Fauxpas. Es herrscht die Vermummungspflicht.
Beim Gang durch die Stadt verschwimmen die Menschen zu einem Meer der Gesichtslosen. Alter, und Ausdruck werden plötzlich nicht mehr erkennbar. Es sind nur noch Figuren die durch die Strassen gehen.
Die Maske scheint mir, macht und auch redfaul. Als wollten wir den Bann nicht brechen, der darüber hinweg täuscht das Menschen unter den Masken sind.
Sie greift immer weiter um sich, diese Flut von Masken. Sie greift nun den SBB Waggons weiter, zu den öffentlichen Plätzen und hinein in die Sport Centren.
An sich bin ich nicht undankbar das unsere neuste Mode nicht sofort überall war. Es wäre für mich ein rechter Schock gewesen, mit meinem willkürlichen Drang nach Normalität nach dem Lockdown, ins Studio zu kommen, und diese merkwürdig vermummten Aliens zu sehen.
Fremd – aus einer Fremden Welt.
Wer hätte vor nur zwei Jahren damit gerechnet? Mit den Menschen die im Tanzstudio an den offenen Fenstern stehen, die Maske herunter ziehen um wenigstes ein bisschen Luft zu schnappen. Der Anblick muss von aussen genau so seltsam sein wie von innen.
Und was werden die Menschen in der Zukunft von diesem kurzen Trend halten, dass sich die Menschen plötzlich ein Stück Plastik vor den Mund gehängt haben. Was werden sie denken, werden sie Anhaltspunkte haben von der Pandemie, oder werden Sie denken, es fällt in den Bereich des Korsetts und des Reifrocks? Der Rokoko des 21 Jahrhunderts trägt Maske.
Diese Woche ging ich in einen Kleiderladen am Hauptbahnhof. Ich blickte auf Plastiktüten mit bunter Füllung und es dauerte einen Moment bis ich begriff was vor mir lag.
Daran das Masken inzwischen überall fast schon als neues Accessoire gehandelt werden, daran habe ich mich schon – nicht ganz gewöhnt. Doch dass man nun zu den Masken auch noch passende Haargummis verkauft, ist für mich an der Grenze zu Wahnsinn.
Genau so wie nackter Wahnsinn erscheint, was zur gleichen Zeit geschieht. Armenien führt Krieg. In Frankreich gibt es Terroranschläge. Donald Trump gewinnt vielleicht sogar nicht nächste Wahl. Sagt mal – haben wir nicht aktuell genug Probleme? Hättet ihr euch den Scheiss nicht führ naher sparen können? Aber nein. Wie alle führen sich aus die Kriegsführer und Terroristen wie kleine Kinder auf.
Und auch ja – da war ja noch der aktuell. Um den kümmern wir uns später vielleicht – wenn wir nicht mehr Abermillionen Plastikmasken und Plastik Abschrankungen, und Desinfektionsmittel um uns schmeissen. Das ist jetzt nötig – das hilft uns jetzt. Und naher? Was sind davon wohl die Konsequenzen? Es gäbe ja auch Stoffmasken und giftfreiere Desinfektionsmittel. Und Glasfenster – wenn wir schon dabei sind. Aber daran verdient die Wirtschaft nicht so viel.
Die Wirtschaft geht über alles. Wirtschaft ist wichtiger als Sport. Wirtschaft ist wichtiger als soziales Leben. Wirtschaft ist viel wichtiger als Kunst. Wirtschaft ist wichtiger als Leben.
Anders kann ich mir so etwas wie eine 24 Stunden Einreiseregel nicht erklären, während die Künstler in Armut versauern. Aber ja – warum sind wir auch Künstler geworden? Warum wollen wir Menschen auch erfreuen und die Welt schöner machen. Wir hätten ja auch Detailfachhändler werden können. Von denen braucht es im Moment eine Menge. Warum sollte man die Schutzkonzepte und kaum Ansteckungen im Kulturellen Raum auch ernst nehmen, wenn wir uns über Alkoholverbot streiten können. Warum sollten wir einen Weihnachtsmarkt erlauben – die Einkaufszentren müssen offenbleiben um dort eine Massenparty zu feiern und uns in der Wolke des Konsums zu berauschen. Und Gott gebe, dass wir nicht auf das Geld der Massen, für den Weihnachtseinkauf verzichten müssen!
Der Ganove der vor uns mit der Waffe steht, hat nicht einmal unrecht, wenn er sagt: Geld oder Leben. Er hat sich für das weniger wertvolle entschieden, doch uns stellt er vor die Wahl.
Der Rokoko des 21 Jahrhunderts trägt Maske, einen unsicheren Blick und im Herz eine Menge Fragen.
Doch zu sprechen, wagen wir nicht.
Ich für meinen Teil sehne mich nicht verlängerten Öffnungszeiten. Ich sehne mich, nach einem bequemen Stuhl, und einer guten Show vor Augen.