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  • AutorenbildMichelle Reznicek

Fröhlichen Kitschtag


Einen frohen Kitschtag


Ja ich weiss – wir haben ihn gerade hinter uns, den «Kitschtag» des Jahres. Aber trotzdem:


Rosarote Nelken, rosarote Rosen, so wie es die Natur vorgesehen hat: mit Plastikglitzer beklebt. Grelle Plastikherzen und Schleifen. Noch kitschigere «I Love you» - Einwegkarten. Und Stoffbären die so zusammengenäht sind, dass es aussieht als würden sie sich küssen, ohne eine Aussicht auf ein Entrinnen. Nicht gerade romantische Aussichten.

Überall: Gerupften Blumen. Und einzelne langstielige Rosen, zu einem sündhaft teuren Preis. Alles sorgsam eingepackt und dekoriert mit und in 1000 % Hochglanz-Plastik, damit ein jeder seiner Herzensdame beweisen kann – schau nur – dass du dieses hässliche Plastikdings 30 Sekunden in den Händen drehen kannst – ist mir viel wichtiger, als die ganze Erde.

In den Blumenläden steht praktisch kein anderes Thema mehr zu Verkauf. Sträusse zu einem Geburtstag? Einem Besuch oder einer Beerdigung? Fehlanzeige. Valentinstag – ist alles was zählt.


Und dann gibt es auch noch sie: die dümmlich grinsenden Paare. Viele von ihnen bewegen sich gerade in den Alter von – ich bin zwar volljährig, bis - vom Erwachsen-sein bin ich noch Lichtjahre entfernt.

Die Gesichter der jungen Damen zeugen davon, wie stolz sie darauf sind, von dem Mann an ihrem Arm beschenkt worden zu sein. Sie schauen gross in die Runde in der Hoffnung, dass jeder Zeuge davon wird und helfen dann zur Not noch etwas nach, in dem sie lauthals über den Kitschteddybären quietschen, der ihnen ein Herz hin hält auf dem tiefgründe Botschaft steht: Love.


Kurz und gut: ich bin nicht der grösste Fan vom Valentinstag. In meiner Erinnerung gabs den zu meiner Kinderzeit noch gar nicht. Und das bestärkt mich nur in den Verdacht, dass das nur ein neues Verkaufs-Argument sein soll, um noch mehr Kitsch zu verkaufen. Genau so wie die Idee, Osterhasen im Februar und Weihnachts-Kekse im Oktober feil zu bieten. Als ob sich die dann bis Ostern oder Weinachten halten würden. (ob sie nun gegessen oder schlecht geworden sind)


Zum ersten Mal überhaupt habe ich den Valentinstag bemerkt, als eines der Bücher, der Twilight-Saga genau an diesem Tag erscheinen sollte. Ein besonders gerissener Einfall der Marketingberater. Sozusagen: Superromantik.

Dabei gibt es den Feiertag eigentlich schon sehr lange– genaugenommen wird er sogar schon seit dem 14ten Jahrhundert, in dieser Form gefeiert und basiert auf dem Gedenktag des Bischofs Valentins von Terni, der 269 nach Christus hingerichtet worden sein soll. Dessen romantische Tat es im übrigen angeblich war, christliche Paare zu trauen, obwohl es gegen das Gesetz war. So oder so: Neu ist er also nicht gerade.

Dennoch konnte ich mich bisher, wenig für diesen oberflächlich wirkenden Feiertag erwärmen. Vielleicht auch weil es eben ein Feiertag für Paare ist und ich ein überzeugter Single bin. Vielleicht stösst sich das gegenseitig ab. Zumindest entnehme ich es den Gesichtsausdrücken, der Singles um mich herum.


Die japanische Form dieses Tages gefällt mir besser. Während hier zu Land es wohl weitgehend so verstanden wird, dass der Mann etwas Romantisches für seine Damen tut, werden in Japan am Valentinstag, die Herren mit Schokolade beschenkt. Dabei werden nicht nur die «Herzensmänner» bedacht, sondern auch männliche Freunde und Kollegen. Dann genau einen Monat später, am White Day werden dann die Damen von den Herren beschenkt. Mir gefällt diese Gleichberechtigung des Romantischseins. Auch wenn es dort den Begriff: "Pflicht-Schokolade" gibt.


Als ich an diesem 14. 2 um halb ein Uhr morgens, nach einem sehr langen Arbeitstag und einem Spiessrutenlauf durch dümmlich grinsende Paare zurückkehrte, erschreckte ich mich über den Anblick eines Rosa-Valentins Strausses, auf meinem Nachtisch. (Weniger darüber dass es ein Valentinsstrauss war, mehr das er über überhaupt da war) Der ganze Raum roch wie in einem botanischen Garten.

Anders als all die vielen anderen Valentinssträusse überall, war er aber kein Liebesbeweis eines «Verehrers». Es war die Gratulation zu einer Prüfung, über dessen erfolgreiches Bestehen ich gerade informiert worden war.

Rosa Lilien, orange Chrysantheme, Rosa Gerbera, rosa Nelken. Ohne Folie, in einer Vase.

Ich drehte eine perfekte rosa Nelke in den Fingern – und ein wenig war ich plötzlich mit diesem Tag versöhnt.

Denn was ist denn eigentlich schöner – als die Liebe zu feiern? Und warum nicht einfach die grosse Liebe – die Liebe zum Leben?

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