Michelle Reznicek
Frauenrecht ist Menschenrecht

Seit März ist die Ausstellung in Zürich, im Landesmuseum zu sehen. Habt ihr sie schon gesehen? Heute nehme ich euch mit auf eine Reise durch meine persönlichen Eindrücke.
«Frauenrecht ist Menschenrecht»
Diese und ähnliche Parolen hängen von der Decke herab. Überall Plakate, Parolen. Schriftliche Aufschreie.
Die Ausstellung im Landesmuseum Zürich, die von März bis Juni ausgestellt wird, dreht sich rund um das Frauenwahlrecht. Rund seit dem 1700 Jahrhundert, werden Frauen dokumentiert, die für die Rechte der Frau gekämpft haben. Unternehmerinnen, Künstlerinnen, Arbeiterinnen. Doch sie haben alle etwas gemeinsam. Sie lehnten sich auf gegen die Worte der Männer und Frauen, die ihnen Dummheit, mangelnde Intelligenz, Unfähigkeit Abschlüsse oder Bildung im Allgemeinen zu erlangen und die Zerstörung der Familie durch ihr Aufbegehren anlasten.
Die Frau hat kein Recht zu tun, was sie will. Sie hat den Mann und die Kinder zu versorgen, zu arbeiten, zu schlechteren Bedingungen und Bezahlung, und möglichst keusch und fromm ins Grab zu steigen. Eine Frau die arbeitet oder sich bilden will, für sich selbst verantwortlich sein will, ist eine «Familien Zerstörerin» die alles vernichten will, was gut und teuer ist. Ein Mann hingegen der fremdgeht, sie schlägt, alles gemeinsame Geld versäuft, ist ein ehrbarer Mann, von dem sie sich nicht scheiden lassen darf. Er hingegen darf es ohne Grund. Und Gnade ihr Gott, sollte sie es wagen fremdzugehen. Denn dann ist sie in der Gesellschaft verstossen. Die beiden beteiligen Männer hingegen, sind von dem Ganzen völlig unbehelligt, einfach weil sie Männer sind. Eine Frau die ein uneheliches Kind erwartet ist eine Schlampe. Niemand fragt aber nach dem Vater, der daran völlig unschuldig zu sein scheint, ganz gleich ob er sie vergewaltigt hat, oder eine längere Liebschaft mit ihr Pflege.
Und über das Recht der Frau zu wählen, darf der Mann abstimmen, der diese ungleiche Bedingungen geschaffen hat.
Über kleine Boxen hört man die Stimmen und die Zitate von Frauen und Männern, aus der Zeit der Auseinandersetzung.
«..es isch not zum juchze, wen mäh hät so lang müsse dafür kämpfe.» Sagt die Stimme einer älteren Frau, nach dem das Recht endlich angenommen worden ist.
Über alldem schweb die unwirkliche Musik einer Licht-Installation einer Künstlerin, deren Video immer und immer wieder vorne beginnt. Man hört sie noch beim Ausgang summen. Plakate, Zeitungen, Bilder aus alter Zeit. Nein zum Frauenstimmenrecht – Plakate.
Obwohl die Ausstellung nicht unendlich gross ist – ist es beeindruckend.
Übrigens: Die Schweiz war in Europa das Letzte Land, dass das Wahlrecht der Frau eingeführt hat. Und der Kanton der es als Letzter angenommen hat, war Appenzell und zwar 1990. Nicht ganz ein Jahr vor meiner Geburt.
Trotzdem geht meine Generation kaum je einmal abstimmen. Kaum dürfen wir es, interessiert es uns nicht mehr.
Wären die Frauen der Frauen-Befreiungs-Front da stolz auf uns? Ich glaube kaum. Sie mussten das Recht erkämpfen. Sich gegen die dümmsten Aussagen durchsetzen wie: «Frauen sind einfach nicht dafür gemacht zu studieren.» «Du darfst ihm aber nicht zeigen, dass du das besser könntest als er.» Oder: «Du brauchst nur einen richtigen Mann, dann bist du geheilt vom Emanzen-Virus.»
1990 ist zur Lebzeiten unserer Mütter. Unsere Grossmütter haben dafür gekämpft.
Meine Grossmutter erlebte den Wechsel von Röcken zu Hosen. Den Wechsel dazu, dass Frauen auch Radfahren durften.
Aber das meine eigene Mutter, erlebt hat, wie der letzte Kanton das Wahlrecht für Frauen eingeführt hat, schockiert mich.
Vielleicht sollten wir Frauen uns das immer wieder in Erinnerung rufen: Wir mussten dafür kämpfen und es ist gerade Mal 30ig Jahre her. Wie die Dame sagte: Das ist kein Grund zum Jubeln.
Die Ausstellung war zum Anlass: 50 Jahre Frauenstimmrecht. Doch wenn der letzte Kanton erst 20 Jahre später kommt, erscheint mir die Zahl 50 nicht berechtig. Wir sind so stark wie der Schwächste von uns, heisst es nicht so?
Doch als Konsequenz aus dieser Geschichte, sollten wir, anstatt dass wir Männer verachten (Abgesehen von denen dies verdienen, aber das gilt auch für Frauen) sollten wir uns fragen: Unterstütze ich als Frau andere Frauen? Halte ich sie für genauso kompetent wie Männer? Mit welchen Argumenten setzte ich eine andere Frau unter Druck? Halte ich ihr vor sie müsse einen Mann haben, um eine gute Frau zu sein? Ganz egal ob sie das will oder nicht? Halte ich ihr vor sie brauche Kinder zum glücklich sein? Halte ich ihr vor sie sei eine Emanze? Oder sagte ich ihr gar sie solle: Mädchensachen machen? Habe ich ein Bild davon, wie eine richtige Frau zu sein hat, anstatt das ich es ihr überlasse, wie sie sein will? Und umgekehrt? Habe ich ein Bild davon wie ein Mann sein muss, ohne dass ich ihn frage ob er das auch möchte?
Schliesslich heisst Emanzipation nicht, dass man Rechte und Wünsche der Männer ignoriert. Es heisst nur das Mann und Frau gleich viel Wert und Recht haben. Und genau gleich ungern in «Schablonen» gepresst werden.
Wusstet ihr, dass die meisten Medikamente an weissen Männern getestet sind? Die Dosierung stimmt weder für Männer und Frauen anderer Hautfarbe noch für Frauen im Allgemeinen. Doch der weisse Mann ist das Mass. Und dafür werden sogar Todesfälle in Kauf genommen, wegen Medikamenten die nicht ausreichend für die Menschen getestet sind, denen sie verabreicht werden.
Wir erschaffen unsere Welt mit. Wir geben sie an unsere Kinder und Nächsten weiter. Wir können immer noch etwas tun. Im Aussen und im Innern. Und wir müssen es auch. Weil Frauen für unser Recht gekämpft haben. Ihr ganzes Leben dafür gegeben haben, dass wir es vergessen können zur Wahl zu gehen.
Was ich sagen will:
Die Ausstellung ist von März bis Juni 2021. Museen haben im Moment geöffnet. Die Besichtigung kostet CHF 8. Eine Besichtigung lohnt sich.
Das Frauenwahlrecht und damit fast jedes Recht der Frau, wie z.B.: Ohne seine Erlaubnis arbeiten oder ausreisen; wurde erst vor 30 Jahren in der ganzen Schweiz eingeführt.
Stimmt ab. Wir dürfen das noch nicht so lange wie wir denken. Und: Wir sind mitverantwortlich.
«Frauenrecht ist Menschenrecht.»