Michelle Reznicek
Vom Reden und vom Hören

Vom Zuhören vom Zuhören
Zuhören. Schnabel halten und zuhören. Ich denke die meisten kennen diesen Ausspruch aus der Schule. Dennoch haben es viele von uns nie gelernt. Das mit dem ruhig sein und zuhören. Oder wir haben uns einfach gedacht: Endlich erwachsen – jetzt darf ich endlich auch mal reden.
Reden ist Silber – schweigen ist Gold. Dieser Ausspruch ist sicher von jemandem das Sprechen gerne für sich allein beansprucht hat, um sich dieses Privileg weiter zu sichern. Anders kann ich mir das nicht vorstellen, bei Wesen die auf Kommunikation aufbauen und angewiesen sind. Okay, vielleicht auch von jemandem dem schon die Ohren geklingelt haben – weil er 30 Schüler um sich hatte.
Warum ist reden eigentlich so viel interessanter als zu zu hören? Schliesslich wissen wir über das, was uns erzählt wird noch nicht Bescheid. Zumindest im Idealfall. Vielmals wird in Ermangelung neuer Abenteuer einfach Alte immer wieder erzählt. Hübsch laut versteht sich, damit man gekonnt über die Wiederholung weg täuscht.
Die eigenen Worte scheinen viel interessanter zu sein, als alles was wir noch nicht wissen. Doch am Ende ist nur das Mehren von Information etwas was uns weiterbringt.
Ich bin sicher im Grauer Vorzeit stand die Aussage «Da kommt ein Säbelzahntiger» wenig oft mit «Aber ich muss dir diese Geschichte noch einmal erzählen...» in Konkurrenz. Vielmehr beschäftigte sich die Kommunikation nur mit dem Wichtigsten. Essen. Gefahr. Schlafen.
Das Mehren von Information – Kann zu überleben wirklich beitragen. Auch ohne Säbelzahntiger.
Um so weniger uns zugehört wird, um so mehr scheint sich das Bedürfnis danach zu verstärken, bis es dort endet, wo ein völlig fremder Mensch ohne Punkt und Komma uns mit einem Wortschwall überflutet, wo keine Antwort eingeplant ist – sollte sie trotz dampfwalzenartigem Schwall doch vorkommen – wird irritiert gezögert, dann ignoriert und weiter geschwafelt.
Ich weiss – es ist unangenehm nie zu Wort zu kommen. Doch noch schlimmer ist es, wenn man spricht und nicht gehört wird. Oft schweige ich dann also und lasse mein Gegenüber reden, bis es alles gesagt hat, was unbedingt raus musste und schaue zum Schluss in ein sehr überraschtes Gesicht.
Es ist wohl so, dass wir einen Teil der Information verarbeiten in der wir sie aussprechen. Sobald wir es in eigene Worte fassen können – wissen wir Bescheid. Sei es über ein Prüfungsthema oder über komplexe Zusammenhänge von Beziehungen. Warum aber dann so viele die alten Geschichten erzählen wollten, ist mir ein Rätsel. Vielleicht weil man noch ein bisschen Zeit mit diesem tollen Erlebnis verbringen will und es nur kann, wenn man es ausspricht. Vielleicht ist es einfach die Angst das die Geschichte sonst verloren geht.
Der Mensch ist ein kommunikatives Wesen. Kommunizieren ist: Verbales verarbeiten der Reize. Sei es in Worten, Bildern, Tanz, Theater oder in Sprache.
Kommunikation funktioniert allerdings nur wenn man gelegentlich den Mund schliesst und zuhört. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass er gleichzeitig zuhören und reden kann. Allein der Schall der eigenen Stimme, der sich im Körper wieder wirft sollte einem darauf hinweisen wie unmöglich das eigentlich ist. Bei dem Lärm ist wirklich nichts zu verstehen.
Manche von uns schaffen es tatsächlich zu zu hören. Aber wie steht es mit einem selbst?
Letzthin wurde ich gebeten einen Satz zu wiederholen, mit den Worten die man mir vorgab. Mal abgesehen davon wie albern man sich dabei vorkommt, musste ich auch den Klang meiner einer Stimme lauschen.
Wer schon einmal den Spass mitgemacht hat, sich selbst aufzunehmen und sich dann auch selbst wieder anzuhören, der hat schon erlebt, wie unangenehm es ist, sich selbst zu hören.
Man bekommt dann oft erklärt, dass man seine eigene Stimme ja sonst immer nur von «Drinnen» hört. Dass es eben anders ist, wenn man sie noch durch die Höhlen des Körpers hindurch hört.
Das würde aber bedeuten, dass die komische Giebsch-Stimme ja meine echten sein müsste.
Ein Lichtblick zeichnet sich aber ab, wie ich schon erfahren durfte – umso professioneller das Aufnahmegerät umso erträglich klingt die eigene Stimme. Liegt also nicht nur an der «Hör-Position». Ganz ähnlich wie das Verhältnis zwischen der «Gutheit» eines Fotos und dem Geschick eines Fotographen.
Aber: Wie oft hört man sich selbst eigentlich zu?
Wir haben gelernt, dass es nur höflich ist jemandem zu hören, ihn ausreden zu lassen, und über seine Worte nach zu denken. Doch wie oft nehmen wir uns eigentlich die Zeit und hören uns selbst wirklich zu?
Nehmen wir uns wirklich dann und wann die Zeit, zu zu hören was wir da eigentlich sagen? Und denken wir dann höflich etwas darüber nach?
Ich weiss, man soll sich nicht verrückt machen, dass die Denkerrei durchaus einmal ein Ende haben sollte. Das man nicht alles auf die Goldwaage legen sollte.
Doch dann und wann denke ich mir, wäre es durchaus nicht schlecht sich selbst Gelegentlich einmal zu zu hören, wenn man spricht. Und sich zwischendurch auch einmal fragt, was man selbst wohl damit meinen möchte. Kann sein, dass wir etwas über uns selbst erfahren und sei es nur, dass man sich selbst an den Klang der eigenen Stimme gewöhnen kann.