Michelle Reznicek
Was beständig ist - ist der Wandel

Was beständig ist, ist der Wandel
Veränderung. Wir alle kennen sie – und die meisten von uns, können sie nicht leiden. Ich bin dabei keine Ausnahme.
Ich mag keine Veränderungen. Geben wir meinem Sternzeichen die Schuld daran. Unsinn. Okay. Vielleicht ein wenig?
Dabei ist es mir einerlei, ob es gute oder schlechte Veränderungen sind. Ich habe es nicht erwartet? Ich muss mich in einer neuen Situation zurechtfinden? Nicht mein Ding.
Aber wer mag schon Veränderung? Wer mag es schon, wenn etwas nicht so ist, wie er es erwartet hat? Wer mag es schon, wenn Freundschaft und Partnerschaft auseinander gehen? Wer mag es schon, wenn er unangenehm überrascht wird? Wen freut es, wenn der PC plötzlich nicht mehr anspringt? Oder wenn es eine neue «Ansprechperson» gibt? Wenn etwas verloren geht? Wenn man pünktlich zum Zugperron sprintet um festzustellen, dass der Fahrplan umgestellt wurde? Wer möchte schon ein neues Computerprogramm, weil sein altes nicht mehr geht? Wer will schon einen neuen Chef bekommen? Neue Vorschriften? Neue Massnahmen? Wer möchte schon, dass sein Lieblingscafé zu macht, oder dass das Lieblingskleid einen Riss bekommt und man feststellt, dass es schon 10 Jahre alt ist? Und wer meint schon etwas wirklich Positives, wenn etwas verkündet wie: «Es kommen grosse Veränderungen auf uns zu.» Denn bedeutet das wirklich Veränderung, oder ist es nur die getarnte Drohung, dass man Teil der Veränderung sein könnte?
Selbst bei guten Dingen, wie zum Bespiel: ein langersehnter Umzug, die Geburt eines Kindes oder dem Kauf eines jungen Hundes. Egal wie freudig: Es ist eine Veränderung. Plötzlich ist alles anders. Und insgeheim wünscht man sich vielleicht, wenn auch nur ganz im Geheimen: Man könnte nochmals zurück an den Ort, an dem noch alles «normal» war.
Das ist Veränderung. Und nichts daran bereitet mir besonderes Vergnügen. Genau so wenig wie Menschen mir sympathisch sind, die mir Dinge sagen wie: «Veränderung ist was Tolles! Go for it! Stürz dich einfach ins kalte Wasser. Veränderungen ist Leben!», das sind die gleichen Personen, die sich vor jedem neuen Versuch drücken, mit einer lausigen Argumentation. Es ist leicht andere mit solchen Sprüchen zu nerven – denn man kann seine Veränderungs-Muffeligkeit gut dahinter verstecken. Ich habe selten erlebt, dass die Leute, die diese Sprüche gerne sagen, die sind die sie auch gerne anwenden. Vielmehr sind die, die Veränderung willkommen heissen, jene die ihnen mit stiller Andacht begegnen und selbst genau wissen, wie anstrengend sie sein können.
Die Veränderung schleicht sich von hinten an uns ran und schreit ganz laut: «Buuu! Überraschung!! Damit hast du nicht gerechnet? Perfekt! Viel Spass!»
Sei es wie es sei, Veränderung ist unausweichlich. Selbst meine Topfpflanzen verändern sich ohne mich zu fragen und sprengen ihre Töpfe ohne darüber nach zu denken, ob ich dann auch noch Platz für sie haben werde. Sie müssen wachsen, sonst sterben sie. Dass wissen sie, besser als wir Menschen.
Aber wenn ich die Welt von Oben betrachte, dann kommt es mir nicht mehr so arg vor. Nach einer gewissen Zeit erkennt man, dass gar nicht so viel Veränderung passiert, wie man glaubt. Umso älter ich werde umso mehr wiederholt sich einfach alles. Als ich Kind war, waren «Abba-Hosen» gerade modern. Erinnert ihr euch noch dran? Die mit den weiten Stössen und den engen Oberschenkelteilen. Also Hosen, bei denen man zu gleich zu viel und zu wenig Platz hatte. Ich fand sie dämlich. Dann wurden tief geschnittene Hosen und Röhrenbeine modern. Ich fand sie dämlich. Unterhosen die oben über den Hosenbund hinaus quillen? – Voll dämlich. Aber all das, war irgendwann gewohnt und dann normal. (Abgesehen von den Unterhosen, über dem Hosenbund)
Inzwischen bin ich schon so «alt» geworden, dass sich die Mode wiederholt. Jetzt tragen die «Jungen» die Kleider die zu meiner Kinderzeit modern waren. Es ist seltsam, wenn es anfängt sich zu wiederholen und ich den gleichen Satz bringe wie meine Mutter früher: «Behalt es noch ein bisschen, es wird schon wieder modern.» Siehe da, es ist so weit. Kleider werden wieder modern. Namen werden wieder modern. Berufe werden wieder modern. Politische Bewegungen werden wieder modern.
Dann erscheint einem die ganze Welt, wie eine unendliche Wiederholung. Von Dingen die wir neu nennen, die in Wahrheit aber nur einen neuen Namen tragen.
Aber wenn man Glück hat, gelingt auch die Veränderung von altem Denkmuster, Verhalten, festgefahrenen Meinungen und längst unbequemen Glaubenssätzen, hin zu einem persönlichen Wachstum. Es gelingt vielleicht sogar Altes los zu lassen und Neues willkommen zu heissen.
Dann ist Veränderung etwas Gutes.
Zu meiner Kinderzeit existierten noch keine Handys. Heute müssen wir uns sogar im Handyentzug üben. Das Leben hat manchmal einen seltsamen Humor.
Auch wenn ich es wirklich hasse, von Dingen «hinterrücks» überrascht zu werden: Wie einer unerwarteten Rechnung, unerwarteten Krankheit, einer plötzlichen Absage; muss ich doch sagen, dass ich anderes an der Veränderung sehr schätze. Älter zu werden ist etwas davon. Etwas Neues zu können, etwas zu lernen, etwas Neues zu verstehen. Ohne Veränderung – ohne Zeitvergehen wäre es nicht möglich. Wie in «Momo» von Micheal Ende, wo sie bei dem Verwalter der Zeit, erst eine Dauer bleiben muss, um die richtigen Worte zu lernen.
Wenn ich am Bahnhof stehe, und mein Zug mir gerade davonfährt und meinen Plan damit ungefragt ändert, denke ich manchmal darüber nach, ob es einen tiefen Sinn haben könnte, dass ich nicht in diesem Zug sitze. Das vertreibt nicht nur die Zeit, sondern auch den Ärger. Und manchmal laufe ich dann tatsächlich jemanden in die Arme, den ich auch nur eine Minute früher nicht getroffen hätte.
Vielleicht ist es wirklich die Kunst, Veränderung als eine Chance zu begreifen. Wir können sie nicht umgehen, wir können nur mit ihr gehen.
Wie im Café am Rande der Welt, dem Buch von John Strelecky– in dem die grüne Meeresschildkörte die Kellnerin lehrt, mit den Wellen zu gehen, anstatt gegen sie. Das Meer ist stärker. Doch es gibt uns auch die Möglichkeit seine Kraft zu nutzen.
Noch selten wollte ich «springen» und darauf vertrauen, dass mir «Auf dem Weg nach unten Flügel wachsen». Vielleicht wird man daher öfters mal «geschubst» und «auf dem Weg nach unten sucht man seine Flügel.» Aber vielleicht findet man nur so, das nächste grosse Abenteuer. Denn wenn ihr seid wie ich, dann bewegt ihr euch nicht freiwillig, bis euch das Schicksal oder die Zeit von eurem Sofa schubst.
Inzwischen verstehe ich, dass keine Veränderung schlimmer ist als Veränderung. Vielleicht war Corona dafür eine gute Erinnerung. Denn wenn man bald zwei Jahre darauf wartet, dass sich endlich wieder etwas verändert und es nicht weiter vor sich hin stagniert, lernt man es zu schätzen, wenn jeden Tag alles passieren kann.
Zu guter Letzt ist Veränderung in Wahrheit etwas Gutes. Denn nur Veränderung kann Wachstum generieren. Und was nicht «wächst» stirbt. Die einzige Konstante im Leben ist Veränderung.